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Mensch, Amerika! Unterwegs in einem Land im emotionalen Ausnahmezustand

Dr. Jan Philipp Burgard erzählte im Gespräch mit Dr. Benjamin Becker (AmerikaHaus NRW e.V.) und Dr. Christian Koecke (Konrad-Adenauer-Stiftung) von dem Schreib- und Rechercheprozess seines neuen Buches Mensch, Amerika! Unterwegs in einem Land im emotionalen Ausnahmezustand, das am 30.09 dieses Jahrs veröffentlicht wurde. Abwechselnd las Burgard Passagen vor und beantwortete Fragen – vom Moderatorenduo und aus dem Publikum.

„Jan Philipp Burgard geht dahin, wo die Bruchstellen Amerikas sichtbar werden, und zeichnet in packenden Reportagen das Bild eines Landes im Ausnahmezustand“, so heißt es im Klappentext.
Zwei dieser Bruchstellen sind einerseits rechtsextreme Gruppierungen wie die Proud Boys und andererseits das Silicon Valley, wo ein recht linksliberales Klima herrscht. Außerdem betont Burgard immer wieder die große Rolle der Angst – Amerika. Macht. Angst sei der ursprüngliche Titel gewesen.

Zunächst ging der Autor auf den Sturm des Kapitols am 6. Januar 2021 ein. Ein Event, dass wohl die meisten mit großer Angst packte. Noch vor den US-Wahlen begleitete Jan Philipp Burgard für mehrere Tage eine kleinere Gruppe von Proud Boys. Ein besonders zur Gewalt neigender Mann sei ihm schon damals aufgefallen und genau diesen Mann habe er drei Monate später im Fernsehen gesehen: Der Mann war an vorderster Front beim Sturm des Kapitols dabei und wurde verhaftet.

Letztendlich seien diese Menschen aber auch nur von Angst getrieben – Angst vor Veränderung, vor Ignoranz und vor einer „weißen Minderheit“. Jan Philipp Burgard glaubt jedoch nicht, dass man ihnen diese Angst nehmen könnte. Eher müssten wir verstehen, wo diese rechte Ideologie herrührt und die Bedenken von Gruppen wie den Proud Boys ernstnehmen, statt sie zu ignorieren.
Burgard hält dieses Phänomen der Abspaltung rechtsextremer Gruppen und die politische Spaltung im Allgemeinen eigentlich nicht für ein ausschließlich amerikanisches. In den USA sei diese Spaltung aber weiter fortgeschritten, weshalb er gesellschaftliche Auseinandersetzungen fürchtet, falls Trump 2024 erneut bei den Präsidentschaftswahlen antreten und vielleicht sogar gewinnen sollte. Zudem hält er die Angst um die amerikanische Demokratie gerechtfertigt.

Im starken Kontrast zu den Proud Boys steht das Silicon Valley. Jan Philipp Burgard beschrieb das Silicon Valley als eine Illusion zwischen Genie und Wahnsinn. In seinem Kapitel Der Tod – Das Silicon Valley und der Kampf um das ewige Leben berichtet er von seinen Erlebnissen in einem Transhumanismus-Labor. Burgard beschreibt Szenen und Forschungsmethoden, wie sie aus einem düsteren Science-Fiction-Film stammen könnten. Während der Autor deutlich abgeschreckt war, berichtet er auch von begeisterten Stimmen: so z. B. ein Patient, der auf die Fortführung seines Lebens nach dem Tod hoffe, falls er beispielsweise an unheilbarem Krebs erkranken sollte. Diese potenzielle Unsterblichkeit oder Lebensverlängerung ist aber nicht nur extrem teuer, sondern auch sehr spekulativ.

Die Frage, ob Burgard nun desillusioniert von den USA sei, beantwortete er mit ja und nein. Einerseits bewundere er noch immer den Pioniergeist und amerikanischen Optimismus, der stark im Silicon Valley vorzufinden sei, andererseits schrecke ihn die Gnadenlosigkeit der USA bezüglich sozialer Fragen ab. Jedoch glaube er nicht, dass sich auf absehbare Zeit etwas in den USA verändern werde, da auch eine Polarisierung auf der linken Seite vorherrsche und es zu Gewaltausbrüchen auf beiden Seiten komme. In diesem Zusammenhang verwies er auf Probleme mit Antisemitismus, die es auch in den USA gebe.

Die Veranstaltung endet mit dem Schluss des Buches. „Die Hoffnung stirbt zuletzt. […] Lebe Wohl Amerika!“. So bringt Jan Philipp Burgard mit seinen letzten Zeilen die gleiche Melancholie in sein Buch wie F. Scott Fitzgerald mit seinem letzten Satz in The Great Gatsby. Und auch wenn es zwei verschiedene Formate sind und knapp 100 Jahre zwischen den beiden Veröffentlichungen liegen, behandeln die Bücher doch in gewisser Weise das gleiche Thema.

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